Santa Cruz - Córdoba

 Als wenn ich es gewusst hätte: Thomas wird seine von mir gestern eingekauften Vorräte nicht im Bus verspeisen. Er hat sich Cordoba als Ziel gesetzt und in diesem Luftschloss Trotteln angebracht, jetzt tauscht er es nicht mehr ein. So. Punkt. Aus. Basta!  - Und ich kann es ihm nicht verdenken.

Wir krabbeln ziemlich zeitig aus dem Bett. Das ist eines der Dinge, die anders sind als auf unseren anderen Camino: Weil es nur diese beiden Herbergen gab, von der wir in der einen nicht schlafen mochten und in der anderen nicht durften, hatten wir immer ein billiges aber eigenes Zimmer. Kein Tütenkraschpeler, kein Frühaufsteher, kein Gewusel zu nachtschlafender Zeit. Da kann man sich gut um 7.00 Uhr nach einem kurzen Blick auf die Zeit noch einmal umdrehen. Und das haben wir auch gemacht, mit dem Ergebnis, dass mir gerade nicht einfällt, ob wir je vor 9.00 Uhr aufgebrochen sind. Heute stehen wir früh auf, so holen wir vielleicht wenigstens ein bisschen von der Zeit wieder ein, um die uns mein Denkfehler gebracht hat.  Zumindest aber sollten wir so zumindest halbwegs zeitig in Córdoba ankommen. Ein Hotel für die nächsten drei Nächte haben wir gestern schon gebucht, also brauchen wir uns darum vor Ort nicht mehr zu kümmern.

Als ich in die Bar kommen, ist Max, jung, sportlich, motiviert, energiegeladen und voll Pilgerdrang, schon fertig und gerade am Aufbrechen. Schnell wünsche ich ihm noch einen guten Weg, -  schwups - sehe ich ihn nur noch in seiner Staubwolke und sehe ihn in der Ferne verschwinden.

Wir frühstücken und machen uns dann auch auf den Weg, allerdings nicht mit fliegenden Hüftgurtschößen wie Max, sondern .... Nein, das wollt ihr gar nicht wissen. Ich denke noch, dass es viel geschickter für uns gewesen wäre, wenn wir einfach in dem Glauben mit den 13 km geblieben wären. Wir sind noch gar nicht wirklich aus dem Ort hinaus, da ist mir schon nach Ankommen. Allerdings muss ich mich da noch da, 25 km gedulden.

So stapfen wir auf einer Dorfverbindungsstraße die ersten Kilometer vor uns hin. 

 

 

Ich bin wieder ein paar Meter voran (aber in Sichtweite, denn ich habe wieder die Äpfel und Bananen in meiner Kiepe und Mathias, der im Notfall erneut mit seinen Vorräten aushelfen könnte, ist entweder ganz weit vor uns oder hat noch nicht einmal gefrühstückt), als ich von einer Finca eine Pferdekutsche herunterkommen sehe. Ich zücke meinen Foto und will warten, bis sie vor mir vorbeigefahren ist, da hält der Bauer an, fragt, ob Thomas und ich zusammengehören, wartet auf ihn und fragt uns dann, ob wir ein Stück mitfahren wollen. Thomas will erst dankend ablehnen, aber Hallo! Wann bekommt man denn schon eine gratis Kirschfahrt angeboten?! Ich glaube, als ich das letzte Mal mit einer Kutsche gefahren bin, trug ich eine Zwergenmütze und ein Laternchen in der Hand und holte vom Waldrand den Heiligen Nikolaus mit Knecht Ruprecht ab ... und wunderte mich  später, warum Nikolaus genauso hustete wie mein Papa. Dadurften wir Kinder mit der Kutsche zu ihm hinfahren, zurück fuhr er und wir tabbelten neben der Kutsche her. Ich will jetzt nicht sagen, dass das schon 50 Jahre her ist, denn das wäre übertrieben, aber mehr als 45 sind es schon (und ich erschrecke wieder einmal über eine so immense Zahl).

Jedenfalls hocke ich schneller in der Kutsche als Thomas kopfschütteln kann und so schuckern wir die zweitschönsten 1-2 km Camino, die ich jemals nicht gelaufen bin (die schönsten waren die Fahrt in der Eléctrico letztes Jahr auf dem Camino Portugues) vor uns hin bis zu der Stelle, wo er die Straße nach links in einen breiten und nach einem Stück richtig gut befestigten Wirtschaftsweg verlässt. Da müssen wir leider aus- und wieder auf unsere eigenen Füße umsteigen.

 

 

Anfangs läuft auch alles wie am Schnürsenkelchen, Kunststück, wir sind ja frisch ausgeruht. Womit er auch und gerade nach Matthias Höhenprofil nicht gerechnet haben, ist, dass es manchmal gar nicht unknackige bergauf geht. Nun denn, pilgern ist kein Ponyhof. Hier und da machen wir eine Rast. Aber insgesamt ist der Weg richtig schön, denn er besteht nicht, wie die allergrößten Teile sonst, ausschließlich aus Olivenhainen, sondern aus ganz vielen Feldern. Die sind zwar riesig, aber für das Auge ist noch brach liegender Acker, Raps und Saat in den unterschiedlichsten Gedeihungsstufen eine sehr schöne Abwechslung. Manchmal hängt mir nur ein bisschen die Zunge heraus. Als Anhaltspunkt gibt es nur eine einzige Finca, die wir schon von weitem sehen. Der Weg zu ihr zieht sich allerdings wie ein gut gegangener Hefeteig. Dazu kommt, dass heute nicht gerade der unwärmste Tag unserer Pilgerung ist und die Felder zwar wirklich schön sind, auf ihnen jedoch leider keine Schattenspender den Bäume wachsen. Zwar gibt es hier und da auch Olivenstücke und schließlich sogar eine Orangeplantagen, aber da ist der Boden ungemütlich, aufgepflügt und staubsteinunfein.

Als wir Córdoba schon sehen, finden wir an einem Schuppen einen Baumstamm, der geradezu danach lechzt, von uns besessen und belegen zu werden. Irgendwo vorher stand auf einem Wegweiser, dass es noch 6,3 km sind und mir schwant schon lange, dass das durchaus spanische Kilometer sein könnten.

Irgendwann kommt aus der Ferne ein Auto und Thomas sagt - mehr im Jux als im Ernst: Pass auf, da kommt Mathias gefahren. Prompt wird der Wagen langsamer, hält schließlich an, die Tür der Ladefläche öffnet sich und tatsächlich kommt Mathias aus dem Fonds gekrochen und entfaltet im Aussteigen die Länge seiner zusammengeklappten Beine. Jetzt müssen wir doch Mal lachen!

 

 

Am Ortsschild von Córdoba machen wir natürlich die obligatorischen Fotos, aber dann wird unsere Geduld noch einmal auf eine richtig unfeine Probe gestellt, denn der Vorort, durch den wir hindurch müssen, ist schier endlos ... Mathias Idee, noch einmal eine kurze Rast in einer Bar einzulegen total verlockend, aber ihr Nachteil, dass wir dann wieder anlaufen müssen, zu abschreckend. Wir überstimmen den armen Kerl einfach: Jetzt sind wir fast da, also Zähne zusammenbeißen, Augen zu und ...

Nein, lieber Augen auf! Denn nicht nur die Brücke über den Fluss ist ein echter Hingucker, sondern Córdoba begrüßt uns mit ihrer wohl schönsten Seite, nämlich der der Mezquita-Kathedrale. Kinders, ist die schön! Schon von außen! Und die Stadt selbst ist der Hammer - auch wenn sie sich bereits zu den Prozessionen der Karwoche gerüstet hat und überall Begrenzungen stehen, die die Zuschauer davon abhalten sollen, sich zwischen die Büßer zu mischen, die sich dann in Zweierreihen zwischen den Pasos hier entlangschleppen.

Pasos haben wir auf unserem Weg übrigens in fast jeder Kirche gesehen - ein Vorteil, wenn man vor Ostern in Andalusien ist. Diese riesigen Holztische, auf denen entweder Maria dargestellt ist, in einem schweren, kunstvollen Gewand, von unzähligen Kerzen umgeben und mit einem Baldachin behütet, oder eine Szene der Pasion Christi sind nämlich wirklich mehr als sehenswert. Und ich habe längst beschlossen: Im nächsten Jahr gehe ich in der Karwoche, denn die Prozessionen müssen wirklich unglaublich sein.

In der erstbesten Bar nehmen wir unseren Córdoba-Begrüßungstrunk, dann stupft Mathias in sein Hostal und wir machen uns auf den Weg zum Hotel, das wir unterwegs für drei Nächte gebucht haben ... und stehen vor verschlossenen Türen. Nach ganz viel Geklingel schauen wir noch einmal im Internet genau nach: Hier ist nur das Hotel, den Schlüssel gibt es ... Thomas schaut nach ... 27 Autominuten von hier?! Nee, ne?!!!! - Zum Glück kommt aber gerade, als wir anfangen zu schwitzen, eine englische Dame und deutet auf eine Treppe. Die nur hinunter auf der anderen Straßenseite - hach, ich könnte sie knutschen! - Bitte fragt nicht, was Thomas da geguckt hat. Ich frag auch nicht mehr, denn zum Glück hatte er ja etwas falsch gemacht und dieses zum Glück reicht mir völlig!