Baena - Castro del Río

Der Sturm von gestern Abend hat sich tatsächlich ausgestürmt. Das ist doch schön! Heideröslein!, ich darf gar nicht daran denken, was ich schon für Wetter auf meinen Caminos hatte: Tagelangen Regen, nix war mehr trocken, in einer Herberge mit Waschmaschine und Trockner habe ich mich dann bis zur Unterhose nackelig gemacht und alles in die Maschinen geworfen, was ich so an eh schon nassen Sachen im Rucksack hatte, Schnee am ersten Lauftag - 36 km! - von Burgos nach Hontanas, Regen auf dem Weg zum Cruz de San Salvador ... und dann kriegte er eine Farbe: weiß. Neinneinnein, meine Lieben, ich bin ein Gutwettermensch. Mir kann es im Sommer gar nicht heiß genug sein. Wenn andere stöhnen und ächzen, fühle ich mich erst richtig wohl! ... Aber Regen und Schnee (naja, mit dem müssen wir nun wirklich nicht rechnen, aber wenn die Sonne weg ist, wird es doch noch ganz schön schattig) sind so gar nicht mein Ding.

Lach! Ich könnte noch nicht einmal sagen, dass ich Schnee zumindest mit Brettern unter den Füßen mag, denn auf denen hab ich genau zweimal in meinem Leben gestanden: Einmal im Schwarzwald, da gab mir mein Bruder Johannes obenen einen Schups, ich wutschte so vor mich hin nach unten, versuchte verzweifelt, dabei nicht auf die Nase zu fallen und als mir die Straße immer näher kam, brüllte mein liebes Brüderchen von oben: "Bremsen!" - Na klasse! Wie das geht, das hatte er mir nicht gezeigt! Das zweite Mal war ich mit meiner Firma über ein verlängertes Wochenende in Südtirol und probierte den Langlauf aus. Nach 15 km und einer Brotzeit dachte ich, das war fein! und jezt rufen wir uns ein Taxi .... Taten wir aber nicht. Ich musste den ganzen Weg wieder zurück, kam dann schier nicht mehr aus der Badewanne heraus und nach dem Abendessen und genug heißem Eierlikör und Amaretto (also so zwei drei Stück, mehr brauchte ich in meiner Verfassung nicht) löste sich meine Zunge und ich ... erleichterte mein geschundenes Sekretärinnenherz ... und ... erzählte erst allen und dann ... unserem großen Häuptling (ein toller und sehr charismatischer Mann, vor dem ich einen absoluten Respekt hatte - selbst in dieser Situation) ... - Fragt nicht! Am nächsten Morgen wäre ich am liebsten in ein Mauseloch gekrochen und hätte nicht mal Käse gefrühstückt, so peinlich war mir das!

Aber Südtirol ist weit weg und diese Zeit gefühlte fünf Leben her. Und wenn mir jetzt jemand damit kommt, dass mit zunehmendem Alter das Langzeitgedächtnis besser wird, dann brauche ich keinen heißen Amaretto oder Eierlikör, um ehrlich zu werden!

Die heutige Strecke bringt uns erneut durch endlose Olivenplantagen. Zwischendurch ist ein etwas längeres Stück auf der Nationalstraße, aber die ist so gut wie unbefahren.

Es ist in Spanien sowieso unglaublich, wie viele breite, neue und hervorragend ausgebaute Straßen es für ab und an mal ein Auto gibt. Hier wird geklotzt, nicht gekleckert! Wie kommt das? Woher nimmt man das Geld? Ich meine, so klasse floriert die Wirtschaft ja nun hier auch wieder nicht, es gibt keine Ölscheichs - höchstens Olivenölscheichs, aber die müssen ihr Geld zu hart verdienen, um es freiwillig in solche Pisten zu stecken. Und wenn ich an den einen oder anderen Vorort von großen Städten denke, fallen mir ganz viele Dinge ein, wo das Geld besser und sinnvoler angebracht wäre. - Hm.

Mit der Nationalstraße gehen wir über eine Brücke. Gleich danach sollte eigentlich eine Bar sein, aber die hat ihre Türen wohl schon vor sehr langer Zeit verschlossen. Also machen wir Rast mit Äpfeln, Bananen und Wasser mit ohne Blubber. Ich würde jetzt sagen, auch mal nett - ist es aber nicht wirklich, denn es ist ziemlich frostig beim Sitzen. Also dackele ich weiter ... naja, ich versuche es zumindest. Aber hier verlassen wir die Straße zu zwar auch noch Asphalt, aber weil hier eine Senke ist und es geregnet hat, ist die ganze Erde, die von den Traktorreifen hier hinterlassen worden sind, sehr, sehr, seeehr schlabbrig. Ich rutsche ein paar Meter vor mich hin, dann kehre ich um und wir schauen auf die Karte. Neiiin, hier gibt es keine Ausweichmöglichkeit. Die Nationalstraße geht in eine ganz andere Richtung weiter und der Schlabber hat einen Buchstaben und eine Nummer und ist die einzige Möglichkeit weit und breit, in die Richtung, in die wir gehen müssen. So ein Käse!

Nein, nicht Käse, auf Käse zu gehen wäre sicherlich leichter. Also nicht, dass ich schon einmal auf Käse gegangen wäre, aber der Schnodder hat es wirklich in sich. Der Lehm macht es sich an unseren Schuhen richtig wohlig bequem, die Füße schwellen zu wahren Monstern an und sind kiloschwer. Dabei rutzscht schon nach wenigen Schritten Lehm hervorragend auf Lehm - ganz klasse! Und er frisst sich schier in den Schuh hinein und ist auch mit viel schimpfen und fluchen nicht abzukriegen.

Die nächsten 100 m sind ein echter Kampf, dann wird es aber besser.

Verlaufen können wir uns hier nicht, denn es gibt immer wieder links und rechts nur Wirtschaftswege, die in die Olivenplantagen führen. Ansonsten geht es immer geradeaus.

Natürlich liegt auch Castro del Río ganz oben auf einem Berg - hach, ist das eine Überraschung! - Ich bin feste davon überzeugt: Auch wenn da vorher noch gar keiner war, haben die Urspanier rundherum alles an Erde zusammengetragen und zu einem Hügel aufgeschüttet, damit sie darauf ihr Dorf bauen konnten!

Wir finden direkt an der Kirche eine Casa Rural, in der gerade ein Senor die Betten - in der letzten Nacht haben hier wohl auch Pilger übernachtet - frisch bezieht und beschließen hier zu bleiben. Während wir warten, bis er das Zimmer fertig hat, kommt aus dem Nachbarhaus ein älterer Herr und erzählt uns, er sei auch Pilger. Er freut sich total, sich mit uns zu unterhalten ... auch wenn das ein bisschen einseitig ist. Aber gut, wenn ich "einseitige Diskussionen" führe, ist mir das auch nur recht, wenn mir mein Gegenüber nicht antwortet. Nach einem Weilchen dürfen wir uns sogar unser Zimmer aussuchen und wir entscheiden uns für das mit den getrennten Betten. - Lach! Ich höre genau eure Gedanken: Guck, jetzt sind sie sogar schon lange genug verheiratet, dass sie lieber in getrennten Betten schlafen. So weit isses schon! - Nein, isses nicht, dann jedenfalls nicht, wenn es in einem Doppelbett zwei Decken gibt. Aber in Spanien ist das ein echtes Grauen mit den Decken: Für ein Doppelbett gibt es nur eine und die als Decke zu bezeichnen, wäre eine Ameise einen Elefanten zu nennen. Es ist wie in Amerika: Ein Wolldeckchen mit Laken drunter, das oben übergeschlagen und rundherum so unter der Matratze festgezurrt wird, dass man echt Kraft in den Beinen braucht, es von dort loszustrampeln. Das heißt, entweder ist Thomas zugedeckt und ich liege blank oder umgekehrt. Zwei Decken gibt es nur in zwei Betten, also nehmen wir die, schlafen wesentlich entspannter und brauchen uns nachts nicht prügeln.

Damit Mathias uns findet, hänge ich meine Jacke von außen an die Tür, und als wir alle fertig und frisch sind, machen wir uns auf die Suche nach einer Bar und dem Rathaus. In dessen Keller soll nämlich Don Quijote geboren worden sein. Zumindest saß Cervantes hier ein. Die Gründe dafür sind nicht wirklich geklärt und auch nicht, ob er sich hier wirklich den tapferen Streiter gegen Windmühlen erdacht hat (er saß später auch in Sevilla im Gefängnis), aber das ist uns gerade auch nicht wirklich wichtig: Der Kaffee in der der Bar gegenüber ist heiß und hat viiiel Koffein!

Weil das Casa Rural eine richtig nette Küche hat, kaufen wir uns ein paar Kleinigkeiten und essen dort im uns so trauten und lieben Kreis. Hach, Mathias wird mir fehlen!