Alcaudete - Baena

Nachdem wir ein riesiges Solarfeld umrundet haben, warten auf uns Oliven, Oliven und Oliven. Ich bin mir ganz sicher: Hier zählen Kinder zum Einschlafen nicht Schäfchen, sondern Olivenbäume ... was vielleicht auch sinniger ist, weil die nicht laut mäh! rufen und sich wesentlich langsamer bewegen. Manchmal schlappe ich nur so vor mich hin, aber manchmal betrachte ich sie mir auch genauer. Jeder ist anders. Manche haben nur einen Stamm, manche zwei oder drei, die sich umeinander winden. Im Moment ist die Zeit des Baumschnittes; geerntet wird erst im Oktober/November.

 

 

Die Olive, der Baum der Bäume

Ich wage zu behaupten, dass es keine Pflanze gibt, die symbolträchtiger ist als die Olive: Frieden, Hoffnung, Stärke, Geisteskraft, Fruchtbarkeit, Leben ... - habe ich auch keins vergessen?

Seine Geschichte ist so alt, wie seine Formen vielfältig sind. Schon die alten Griechen erzählten sich, dass Athene, Tochter des Göttervaters Zeus, Göttin der Weisheit, bei einem Streit mit Poseidon um die Herrschaft über Attika wegen eines Bäumchens siegte. Es sollte nämlich der Gebieter werden, der der Stadt ein kostbareres Geschenk machte. Zeus fuchtelte, ganz Mann, wild mit seinem Dreizack herum. "Der Gott dess Meeres hieb seinen Trident voller Wut so tief in den Fels, dass saziges Meerwasser hervorschoss." (Ehrenfried Kluckert, Mythen und Sagen) Athene schaute ihm nur nachlässig zu, buddelte ein Loch, pflanzte einen Ölbaum, wurde Herrscherin und Schutzgöttin der Hauptstadt Attikas, die umgehend nach ihr Athen genannt wurde.

Fortan galt er als Geschenk der Götter als heiliger Baum. Er durfte nicht gefällt werden, bei der Geburt eines Sohnes wurde einer seiner Zweige an die Haustür gehängt, die Teilnehmer bei den Olympischen Spielen aßen reichlich in Olivenöl zubereitete Speisen und massierten ihre Körper mit ihm ein (das verlieh ihnen nicht nur windschnittigkeit und einen schönen Glanz, sondern machte, dass ihnen kein Schmutz in die Poren drang und Sonne und Kälte von ihnen abglitschte), die Sieger unter ihnen wurden mit einem Kranz aus Olivenzweigen gekrönt und Amphoren seines Öls belohnt.

Auch den Römern war der erste unter allen Bäumen heilig und die Göttin Minerva seine Hüterin. Wer genug von ihm hatte, musste nicht zum Militär.

Im Koran vergleicht Mohammed das heilige Licht Allahs mit dem Licht einer Lampe, die vom Öl jenes gesegneten Baumes, der nicht im Osten noch im Westen wächst (Kinders!, ist das schön ausgedrückt!) die Dunkelheit beleuchtet und noch heute wird die Universität in Tunesien al-Zitouna, der Ölbaum, genannt, weil eben dieses Licht die Weisheit der gelehrigen Köpfe zum strahlen bringt.

Im christlichen Glauben taucht er als Baum des Lebens immer wieder in der Bibel auf: Am Ende der Sintflut kommt die von Noah ausgeschickte Taube mit einem Olivenzweig im Schnabel wieder und macht sie als Zeichen der Aussöhnung Gottes mit der Menschheit zu DEM Friedenssymbol. In der Jotamfabel des Alten Testaments  Buch der Richter, heißt es: "Einst machten sich die Bäume auf, um sich einen König zu salben, und sie sagten zum Ölbaum: Sei du unser König! Der Ölbaum sagte zu ihnen: Soll ich mein Fett aufgeben, mit dem man Götter und Menschen ehrt ... ? (Ri. 9, 8 - 9; übrigens lehnen auch der Feigenbaum und der Weinstock die Wahl zum König ab, der Dornenstrauch aber nimmt sie an: "Kommt, findet Schutz in meinem Schatten! Wenn aber nicht, dann soll ..." - ........ ). In seinem Gleichnis vom Samariter wird das zur Wundversorgung benutzte Olivenöl zu einem Symbol der Barmherzigkeit. Bereits Jesus und seine Jünger benutzten es, um Kranke zu salben. Vor seiner Hinrichtung betete er auf dem Ölberg Getsemani zu seinem Vater und Paulus, der sich in dieser Passage selbst Apostel der Heiden nennt, warnt vor Überheblichkeit: "Wenn aber nun einige von den Zweigen ausgebrochen wurden und du, der du ein wilder Ölzweig warst, in den Ölbaum eingepfropft worden bist und teilbekommen hast an der Wurzel und dem Saft des Ölbaums, so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich" (Röm. 11, 17 - 18). Mit Chrisam, Olivenöl mit beigemischten Balsamen, wurde und wird der Wohlgeruch Christi, das Evangelium, verbreitet. Mit ihm werden Kinder bei der Taufe in die christliche Gemeinschaft aufgenommen, bei der Firmung bestätigt, Priester und Bischöfe in ihre Ämter geführt. Auch Gegenstände wie Altäre, Kirchenglocken und Kelche werden mit ihm Geweiht. Bei der Krankensalbung und den Sterbesakramenten - wer von uns kennt nicht den Begriff letzte Ölung - wird reines Olivenöl verwendet.

Seit etwa 4.000 v. Chr. wird der Ölbaum kultiviert. Inzwischen gibt es etwa 1.000 verschiedene Arten - in Spanien, das als Olivenproduzent noch weit vor Griechenland liegt, etwa 200. Ein Baum braucht etwa 7 Jahre, bis er die ersten Früchte trägt, die von ihm heruntergeschüttelt- oder gekämmt und auf Planen oder in Netzen aufgefangen werden. Dann aber ist er schier unkaputtbar. In Tarragona (Katalonien, südl. von Barcelona) steht ein Exemplar das rund 1700 Jahre alt ist.

 

 

 

Plötzlich sehen wir von einer Anhöhe herunter die Fläche der Laguna del Conde O Salobral - nein, das ist keine Olivmorgana, sondern echt ... aber ziemlich trocken.

Ein bisschen später vertun wir uns einmal mehr. Aber ganz in echt: An dieser Stelle sind die Zeichen wirklich schwer zu finden und der Weg ... Wo ist denn hier ein Weg? Hier? Das soll ein Weg sein? Nee, ne! Oookaaayy, und da sollen wir jetzt durch? - Also genau das, was ich mag!

Meine Lieben, ich habe es nie verstanden, wie man es Kindern antun kann, Sonntagsspaziergäge zu machen. Ich fand das schon schrecklich, als ich das machen musste, also als Kind - unseren Jungs haben wir das nicht angetan. Wir sind lieber kreuz und quer durch die Wälder gestiefelt, je brennnesseliger und wilder das Unterholz, desto lieber!

 

Und was machen unsere Jungs heute? - Fragt nicht!

 

Im Weitergehen mache ich einen großen Fehler: Ich stecke mir - Oliven sind ja klasse, aber irgendwann doch langweilig - mir "Den Schatten des Windes" in die Ohren und setze mich nach vorne von Thomas ab ... und werde klatschnass. Ich erwische nämlich wohl genau die Stelle, an der es nicht nur nieselt, sondern richtig regnet ... wobei das ja immer auch Gefühlssache ist. Als mein einziger Mitpilger auf dem Mosel-Camino in "Starkregen" gekommen ist, hat es bei mir ja auch nur genisselt. - Nun denn. Jedenfalls weiß ich jetzt, wie sich meine neue Zipp-Hose nass anfühlt und dass sie richtig genial ist, weil sie wirklich schnell wieder trocknet.

 

 

Thomas und ich hatten uns für in der nächstbesten Bar verabredet, aber die haben sich in Baena erst einmal alle gegen uns verschworen und sind alle geschlossen. So ein Käse! Auf der heutigen Strecke gab es unterwegs NIX, jetzt will ich Kaffee! Nein, ich möchte nicht, weil für ein höfliches Möchten, dafür ist mein Koffeinspiegel zu niedrig ... - ... in diesem einen Moment unserer Eheschließung, als ich sagte "ja, ich will", muss er ja unterirdisch gewesen sein! ... Ich möchte jetzt so gar nix mehr, ich WILL nur noch - und zwar rápidamente!

 

Erst einmal bleibt mir allerdings nichts anderes übrig als auf Thomas zu warten, damit wir uns nicht verpassen. Da kommt er auch schon mit Mathias angwackelt. Das ist so schön!: Spätestes kurz vor dem Tagesziel schließt Mathias immer zu uns auf. Das liegt jetzt nicht daran, dass er langsamer ist als wir, sondern daran, dass er zwischendurch gerne mal ein nettes Päuschen macht. So gehen wir tagsüber immer getrennt, aber am Ende des Tages kommen wir wieder zusammen. Ich mag das!

 

Gemeinsam finden wir dann auch eine Bar. Die Dame ist ein bisschen verwirrt, als wir uns alle drei mindestens zwei Getränke bestellen. Hach, geht euch das auch so, dass man manchmal gerne eine Standleitung in den Kopf des anderen legen möchte, weil man gerne wissen möchte, was der so denkt? - Mir geht das ganz oft so, manchmal auch bei Menschen, die einfach an mir vorbeilaufen. Was denken die wohl gerade?

 

Frisch gewässert, gecolat und gestärkt machen wir uns - na klar! - an den Aufstieg hinauf zur Festung und Herberge ... und die ist verschlossen. Ein Anruf genügt, in fünf Minuten würde jemand kommen ... Ich nutze diese "fünf Minuten", schlendere zur Festung und zur leider verschlossenen Kirche Santa Maria la Mayor, weil ich etwas von Türpforten gelesen habe, die von Engeln getragen werden. Ich konnte das durch die Bilder im Internet nicht nachvollziehen und hoffte vor Ort auf Erleuchtung ... die aber ausbleibt. Vielleicht befinden sich die Engel ja innen? Aber da kann ich nicht hingucken, denn die Iglesia ist zu.

Als ich zurückkomme, haben Thomas und Mathias es sich auf der Treppe gemütlich gemacht und ich packe meine Kekse aus und setze mich zu ihnen. Meine Füße bringen mich schier um ... und ich bin selbst schuld daran. Ich bin ja manchmal auch wirklich so vernünftig, dass es mich über mich selbst kruddelt: Letztes Jahr war ich noch gescheit und habe meine Schuhe schnell noch einmal gewechselt, bevor ich losgeflogen bin. In diesem Jahr hab ich die von letztem Jahr angezogen und mir so rein gar nichts dabei gedacht. Allerdings haben die ja schon die Kilometer von letztem Jahr auf den Sohlen ... oder eben auch nicht, denn die Dämpfung ist komplett abgelaufen. Ich schwöre auf meine Aldi-Schuhe (etwas, was ganz viele nicht verstehen können), aber die sind eben nur bedingt ... Hach ja, Herr lass Hirn regnen!

Endlich kommt der Hospitalero und lässt uns die Wahl: Gemeinschaftszimmer für 10,-- €, Doppel- oder Einzelzimmer. Thomas und ich entscheiden uns für ein Doppelzimmer und leider bin ich viel zu sehr mit mir selbst und meinen müden Knochen beschäftigt und vergesse glatt, mir den großen Schlafraum doch wenigstens einmal anzusehen.

Matthias is hungrig und wild entschlossen, noch etwas gegen die großen Löcher in seinem Bauch zu tun. Aber wir sind bettreif, bleiben in der Herberge und ich höre später nur noch in einem halbwachen Moment, dass es draußen ganz schön stürmt und regnet. Ich glaube, ich komme gar nicht mehr dazu, den Gedanken, hoffentlich hat sich das bis morgen ausgetobt, zu Ende zu denken, da bin ich auch schon wieder weggedusselt.